Wolfsburger Nachrichten vom 29. Juli 1991 - Titelseite

Suche nach Ursache des schweren Zugunglücks von Oebisfelde - Drei Tote und 21 Verletzte

Signal zum Halten übersehen?

OEBISFELDE (ap/dpa) Hat ein Haltesignal nicht funktioniert oder hat ein Lokführer das Zeichen übersehen? Darauf konzentrierten sich am Sonntag die Experten, die nach den Ursachen für das schwere Zugunglück In Oebisfelde suchen.

Bei dem Unglück in dem früheren Grenzbahnhof in Sachsen-Anhalt - nur etwa zehn Kilometer östlich von Wolfsburg - waren in der Nacht zum Sonnabend drei Lokführer getötet un 21 Menschen teils schwer verletzt worden. Nach Angaben von Polizei und Reichsbahn stieß um nachts 1.03 Uhr der D-Zug 448 Dresden-Köln bei der Ausfahrt frontal mit einem Güterzug mit 27 Kesselwagen voll Superbenzin zusammen, nachdem dieser ein Haltesignal überfahren hatte.

Wie die Reichsbahndirektion Magdeburg mitteilte, sind weder der Bahnhof Oebisfelde noch die fragliche Strecke mit einer Induktiven Zugsicherung (Indusi-System) ausgestattet, die den Zug beim Überfahren des Signals automatisch abgebremst hätte.

Wie der Sprecher des Lagezentrums des Innenministeriums in Magdeburg, Polizeirat Wolfgang Röxe, erklärte, konnte zunächst nicht geklärt werden, ob das Signal funktioniert hatte. "Es gibt zwei Varianten: menschliches oder technisches Versagen", sagte Röxe.

Der Güterzug war 300 Meter hinter dem Bahnhof frontal mit dem aus der Station ausfahrenden D-Zug zusammengeprallt, Der Personenzug war mit 339 Reisenden vollbesetzt, Der Güterzug hatte 1183 Tonnen Superbenzin geladen und war auf dem Weg von Hamburg nach Hartmannsdorf bei Chemnitz.

Der D-Zug hatte an der Weiche Vorfahrt. Er mußte die Gleise kreuzen, da er entgegen der im Westen üblichen Weise im Bahnhof Oebisfelde nicht am rechten Bahnsteig hielt, sondern am linken - eine "Erblast" aus einstigen DDR-Zeiten, als die Kontrollstellen im damaligen Grenzbahnhof an der linken Seite installiert wurden.

Bei dem Zusammenstoß in der Nacht zum Samstag war es zu gewaltigen Explosionen gekommen und sofort Feuer ausgebrochen. Die beiden Lokomotiven hatten sich ineinander verkeilt. Die ersten beiden Waggons des Personenzuges - ein Postwagen und ein Mitropa-Speisewagen - wurden aus den Schienen gehoben und zwischen die Lok und die nachschiebenden Waggons geklemmt.

Von den 21 verletzten Fahrgästen befanden sich am Sonntag noch sieben in Krankenhäusern in Wolfsburg und Gardelegen (Sachsen-Anhalt). Die nicht verletzten Fahrgäste wurden mit Bussen nach Wolfsburg gebracht.

Im Führerstand des D-Zugs sollen ein Reichbahner und ein Auszubildender aus Magdeburg gewesen sein. Den Güterzug soll ein Lokführer aus Braunschweig gefahren haben.

13 Feuerwehren aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit 130 Mann, Rettungsdienste, Hubschrauber und Bereitschaftspolizei aus der gesamten Region waren an der Unfallstelle im Einsatz. Aus Berlin wurde ein großer Eisenbahndrehkran zur Unfallstelle gefahren, der entgleiste Waggons wieder auf die Schienen setzen kann.

(Weiterer Bericht im Innern)

(Einsatzauswertung)

(Dankesschreiben von Land und Kreis)

Immer wieder ging das Benzin aus den Kesselwagen explosionsartig in Flammen auf.
Foto: Joachim Altschaffel
Kreuz und Quer lagen die Eisenbahnwaggons - bedeckt vom Löschschaum der Feuerwehren.
21 Reisende wurden bei dem Unglück verletzt
Dauereinsatz: Noch am Sonnabend Mittag wurden die glühend heißen und völlig verkohlten
Benzin-Kesselwagen pausenlos mit Schaum aus der Löschkanone bespritzt.

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